Artikel aus der Ausgabe 7/8-2020
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ARTIKEL aus der Ausgabe Juli/August 2020
- Liebe ... von Amoura Schneider Ahmed
- Helfen-Wollen und Grenzen setzen ... von Eva Denk
- Zwischen Muttersein und Selbstverwirklichung ... von Amira Trümner und Anne Hackenberger
- Älterwerden ist nichts für Anfänger ... Aus dem Buch von Bernard S. Otis
- Die Weisheit der Körperebene ... Matthias Grimm
- Patanjalis acht Strahlen der Sonne im Licht von Wald-Yoga ... Reiner Angermeier
- Genveränderte Nahrung: gesundheitliche und ökologische Risiken ... von Christian Salvesen
Liebe ... von Amoura Schneider Ahmed
Das Wort Liebe drückt eines der wichtigsten und bedeutsamsten Gefühle in unserem Leben aus. Jeder hat Erfahrungen mit der Liebe – gute und schlechte. Jede dieser Erfahrungen prägt unsere Einstellung zum Leben, zur Welt und unseren Mitmenschen. Die erste Erfahrung mit der Liebe machen wir mit unseren Eltern oder anderen Menschen, die sich um uns kümmern. Das ist unser Kapital, mit dem wir in die Welt geschickt werden. Durch diese ersten existenziellen Erfahrungen bildet sich ein Filter, durch den wir unsere Welt wahrnehmen, ob wir uns unbeschwert und sicher oder eher vorsichtig und ängstlich darin bewegen. Dazu kommen unsere Anlagen und unsere Umgebung, die zum großen Teil entscheiden, für welche Dinge in der Welt wir Liebe empfinden werden. Da Liebe ein grundlegendes Bedürfnis ist, muss sie in unserer Gesellschaft für vieles herhalten: Die Werbung will uns ihre Produkte gerne als einen Garant für mehr Liebe verkaufen. Mord und Zerstörung wird im Namen der Liebe vollzogen. Die Liebe zu Gott hat seit dem IS eine neue – wenn auch aus der Geschichte nicht ganz unbekannte – Variante erhalten. Und die Liebe zur Heimat oder zum Vaterland drückt sich unglücklicherweise in diesen Tagen – und ganz entgegen ihrer eigentlichen Bedeutung – mehr durch Abgrenzung und Missgunst anstatt durch Zuneigung und Wertschätzung aus. Manche töten im Namen der Liebe, manch einer würde für sie sterben.
Beliebt sein ist schön
Wir alle können uns bis zu einem gewissen Grad daran erinnern, ob wir in unserer Kindheit von anderen gemocht wurden, denn das hatte einen großen Einfluss darauf, wie aufgehoben wir uns in einer Gruppe, der Schule oder dem Kindergarten gefühlt haben. Ob wir gehänselt oder ausgegrenzt wurden oder ob wir Teil einer funktionierenden Gemeinschaft waren, hat sich auf unser Befinden und unseren weiteren Lebensweg ausgewirkt. Als soziale Wesen ist es für uns wichtig, beliebt oder zumindest sich angenommen zu fühlen, und wir sind darauf programmiert, unseren Beliebtheitsstatus immer wieder zu überprüfen. Je nach unserer Veranlagung und unserer Erziehung versuchen wir diesen Status zu erhalten oder zu verbessern. Wir versuchen gut, schön, klug, freundlich oder interessant zu sein, um geliebt zu werden. Gemocht oder geliebt zu werden, gibt uns das Gefühl von Sicherheit. Je weniger beliebt wir sind, desto unsicherer und angreifbarer fühlen wir uns in der Welt. Die Sehnsucht nach Liebe – und damit nach Sicherheit – bestimmt zu einem erheblichen Teil unser Handeln. Wir versuchen Freunde zu gewinnen, sie zu bewahren, den Partner fürs Leben zu finden, oder wenigstens im Alltag so beliebt wie möglich zu sein. Das Bedürfnis nach Liebe scheint genauso in unsere DNA eingebrannt zu sein wie unser Bedürfnis nach Schutz oder Nahrung.
Es scheint, als könnten wir uns ihrer niemals sicher sein.
Aber die Liebe scheint eine zerbrechliche und unsichere Sache zu sein. Man braucht Glück, um sie zu finden und fast noch mehr Anstrengung, um sie zu erhalten. Man kann sie verlieren, beobachten wie sie wächst oder stirbt. Unser Bedürfnis nach Liebe macht uns das Leben alles andere als leicht. Wir strengen uns an, um geliebt zu werden und werden schon von früher Kindheit an dazu ermuntert, uns für sie zu verbiegen. Nicht selten trainieren wir uns an, einen vermeintlich nicht liebenswerten Teil von uns zu verstecken. Das ist anstrengend, und die Sehnsucht, so sein zu dürfen, wie wir wirklich sind, wächst. Manchmal glauben wir, dass wir selbst nur liebevoll genug sein müssen, damit wir geliebt werden. Oft wird dieses vermeintlich liebevolle Verhalten wie bei einer Art Wettbewerb als Gradmesser dafür verstanden, wie hoch entwickelt man ist. Eine Art „spirituelle“ Überheblichkeit – die Überzeugung, besser als andere zu sein – stellt sich ein. Sind wir uns selbst ehrlich gegenüber, bemerken wir früher oder später, dass wir mit diesem Verhalten nicht nur den anderen, sondern vor allem uns selbst keinen Gefallen tun. Denn auch dieser „Trick“ zwingt uns, unsere ungeliebten Anteile zu unterdrücken und zu verbergen. Es bleibt dabei: Wir können die Liebe von anderen nicht herbeizaubern.
Sich selbst lieben
Alles was übrig bleibt, ist unser Bedürfnis nach Liebe – und wir selbst. Mit etwas Glück ist diese Erkenntnis für uns bedeutend genug, dass wir beginnen, uns selbst zu lieben. Schritt für Schritt lernen wir, uns selbst so anzunehmen, wie wir sind, und uns und anderen vermeintliche Fehler und Unzulänglichkeiten zu verzeihen. Langsam beginnen wir, Frieden mit unseren ungeliebten Anteilen zu schließen. Wir üben uns darin, auf unser Herz und unseren Bauch zu hören und lernen allmählich, uns selbst die Liebe und Aufmerksamkeit zu schenken, nach der wir uns schon unser ganzes Leben lang gesehnt haben. Wir erlauben uns, trotz unseren vermeintlichen Fehlern und trotz aller alten und neuen Urteile von Dritten, liebenswert zu sein. Erstaunlicherweise wächst mit der wachsenden Liebe uns selbst gegenüber auch die Liebe zu unserem Nächsten. Wenn wir aufhören, die Liebe bei anderen zu suchen und dieser dort nachzujagen, können wir auch den anderen immer mehr so sein lassen, wie er ist. Wenn wir uns auf diese Weise nach innen wenden, wird das Leben einfacher und leichter. Die rastlose Suche im Außen verliert ihren Reiz, und was noch wichtiger ist: Sie verliert ihre Berechtigung. Das Leben wird dadurch alles andere als farblos und uninteressant. Die Hinwendung nach innen – zu uns selbst – macht uns nicht einsam, wie man im ersten Augenblick vielleicht vermuten könnte; wir werden vielmehr freier und selbstbewusster in dem, was wir tun. Und wir können unser innerstes Wesen mit Freude zum Ausdruck bringen, ohne anderen damit zu schaden. Das Miteinander gewinnt plötzlich tatsächlich an Liebe! Wir lernen – wie uns das Christentum lehren will – unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst! Und entwickeln – wie der Buddhismus uns mahnt – echtes Mitgefühl. Gier, Hass und Neid werden überflüssig.
Die Quelle der Liebe: Suche die Liebe dort, wo sie entsteht!
Tatsächlich aber handelt es sich bei der zuvor beschriebenen Kunst, sich selbst zu lieben, um eine – in Wirklichkeit überflüssige – Tätigkeit. Gehen wir einen Schritt weiter und schauen uns den Vorgang der Liebe genauer an: Wo entsteht Liebe? Wo ist ihre Quelle? Liebe ist ohne Zweifel ein Gefühl, und dieses Gefühl nehmen wir in uns selbst wahr. Die meisten Menschen fühlen Liebe in der Gegend des Herzens oder des Bauches, vielleicht auch im ganzen Körper. Sie strömt tief aus unserem Inneren, um sich von dort her auszubreiten. Wenn also Liebe in uns entsteht, muss dort auch ihre Quelle sein. Das mag zuerst zwar wie eine Binsenweisheit klingen, ist aber bei längerer Betrachtung der Schlüssel zu einer tiefen spirituellen Erkenntnis, die, wenn wir ihre Bedeutung in vollem Umfang begreifen, unser Leben für immer ändern kann. Denn um diese innere Quelle der Liebe in Schach zu halten, haben wir im Laufe unseres Lebens gelernt, ihr einen Riegel vorzuschieben. Wir sind unbewusst ständig damit beschäftigt, unser Innerstes zu begrenzen. Wir haben uns Fesseln angelegt, und gaukeln uns vor, nur unter bestimmten Bedingungen lieben zu können. Um unsere Liebe nicht zu fühlen, braucht es ein ständiges Nein. Das Gegenteil jedoch ist der Fall: Hören wir damit auf, werden wir wieder grenzenlos, wie wir es als Kind waren. Die Liebe, die wir suchen, ist immer schon da und sie ist immer in uns. Das einzige was uns daran hindert, sie zu empfinden, ist ein Widerstand, ein Argument gegen sie: Ein inneres „Nein“ verhindert, dass die Liebe in uns lebendig wird. Liebe scheint in unsere DNA eingebrannt zu sein wie das Bedürfnis nach Schutz oder Nahrung. Und das ist sie, weil sie das ist, was wir in Wirklichkeit sind. Liebe ist unsere wahre Natur. Wir müssen sie nicht suchen und wir müssen uns nicht um sie bemühen. Egal in welchen Lebensumständen wir uns befinden, ob wir nun beliebt sind oder nicht, unseren Seelenpartner gefunden haben oder alleine sind. Liebe kann uns niemals verlassen, das ist ihrer Natur gemäß unmöglich. Alles was wir tun können ist, ihr zu erlauben, aufzutauchen. Bis zu welchem Grad steht uns frei zu entscheiden – aber im Außen finden wir sie nicht.
Infos zur Autorin Amoura Schneider-Ahmed auf www.blei-zu-gold.de
Helfen-Wollen und Grenzen setzen ... von Eva Denk
Als ich noch unermüdlich für andere da war, sagte meine weise Tochter eines Tages: „Die Welt ist voller hilfsbedürftiger Menschen, aber nicht allen kannst du helfen, Mama.“ Wie recht sie damals hatte, und doch versuchte ich lange Zeit Rettung für unzählige Seelen zu sein. Ich wollte jeden, dem ich begegnete, erlösen, erfreuen, erleichtern. Oft hieß das, dass ich mich selbst beschwerte, dass ich die Last der Welt auf meinen Schultern trug und nicht gerade vor Freude strotzte. Irgendetwas lief dabei verkehrt, denn ich wurde müder und müder. Doch es dauerte viele Jahre, bis ich zutiefst in mir erkannte, dass ich mit meiner Lebensenergie haushalten muss, um uneingeschränkt in meiner Lebensfreude verankert zu bleiben. Ich arbeitete als Astrologin und Medium, war immer erreichbar und gab grenzenlos alles, was ich hatte. Oft war ich jedoch am Ende mit meinen Kräften. Mein Körper, meine Seele waren einfach überfordert vom ständigen Reagieren auf die Hilferufe anderer, und doch war ich sofort voller Schuldgefühle, voll von Angst, einen Fehler zu machen, wenn ich nein sagte. Überempathisch war ich voller Verständnis und Mitleid für die Seele vor mir, spürte aber mich selbst nicht mehr. Mein Glaubenskonzept war, keine Wahl treffen zu dürfen. Wenn jemand etwas wollte, hatte ich ja zu sagen. So begab ich mich immer wieder in Momente der Ohnmacht und des Ausgeliefert-Seins an die Willkür und das Wollen eines anderen. Es gibt keine Pflicht des Dienens In den meisten von uns versteckt sich ein Schatten von christlicher Verurteilung, wenn man das lebt, was man wirklich empfindet. Tief in uns eingegraben sind Sätze wie: „Du darfst nicht ablehnend sein. Du musst stets gut und mitfühlend sein. Denke erst an andere und dann an dich. Sei nicht egoistisch ...“ Aus diesem Ideal entsteht ein riesengroßes, verdrängtes Sammelbecken von unterdrückten Gefühlen. Denn es gibt keine gottgegebene Pflicht, geben zu müssen, es gibt keine Pflicht des Dienens. Du hast Verantwortung für dich ebenso wie für andere Wesen und den Planeten. Diese Antwort auf das Leben fließt jedoch selbstverständlich aus dir, wenn du die Verantwortung für dich selbst tragen kannst, denn du gibst sie aus deinem Herzen. Die bedürftigen Helfer Viele wahrlich kompetente Menschen stolpern im Helfen für andere, weil irgendwann ein großes Bedürfnis nach sich selbst auftaucht. Dennoch glauben die meisten, nicht gut zu sein, wenn sie ein Nein in sich spüren zum beständigen Geben. Ich bemerke oft, dass viele engagierte Menschen, die eine Helferposition haben, durch tiefe Krisen gehen, weil ein Nein zum beständigen Geben ihnen ein abgrundtiefes Unbehagen einflößt und ihnen oft nagende Schuldgefühle verursacht, wenn sie es wagen, zu ihrer Ablehnung zu stehen. Doch so kann auch das Ja nicht mehr sein. Es wird verschluckt von Gefühlen der Bitterkeit und des Versagens. Man will gut sein, ein liebevoller Geber, allzeit offen und bereit und scheitert an einem Riesenanspruch an sich selbst.
Allzeit bereit sein
Allzeit bereit zu sein heißt, keinen inneren Freiraum mehr für sich zu haben, um zu fühlen, was wir brauchen. Wir alle haben unseren „eigenen Kram“ zu erledigen und das braucht seine Zeit. Wenn ich mich nicht mehr traue, meine wahren Emotionen zu spüren, bin ich nicht loyal meinen innersten Bedürfnissen und meinem inneren Kind gegenüber. Herauszufinden wie viel wir geben können, ohne auszubrennen oder unsere Kräfte zu verlieren, ist immer wieder ein Abwägen und Hineinspüren, was uns wirklich guttut. Oft jedoch machen wir unerschütterlich weiter, bis wir durch einen kranken Körper oder einfach durch Freudlosigkeit gezwungen sind, uns mit unserem selbstzerstörerischen Verhalten auseinanderzusetzen. Denn dahinter liegt meist eine immense Angst, Anerkennung und Liebe zu verlieren, wenn du klar zu dir stehst und nein sagst. Du hast Angst, einsam zu sein, zu verletzen und verantwortlich für den Schmerz anderer zu sein. Und so verleugnest du dein wahres Selbst, fühlst dich allein und handelst verantwortungslos dir selbst gegenüber.
Heilig oder Heil-sein?
Macht es uns frei, heilig zu sein oder darfst du dir erlauben, einfach nur menschlich zu sein? Bedeutet heilig – Heil-Sein nicht Ganz-Sein? Alles anzunehmen, das in uns lebt? Wenn du versuchst, immer wieder eine Mischung aus schöner, gütiger Mutter Teresa und allseits gebendem Ratgeber zu sein, und gleichzeitig deinen Alltag, vielleicht noch eine Mann-Frau-Beziehung leben willst, bemüht bist, ein guter Vater, Sohn, Freund oder eine perfekte Mutter, Tochter, Freundin zu sein und nebenbei erleuchtet zu werden, dann steuerst du dein Lebensschiff direkt an die Wand. Denn du musst scheitern. Du musst versagen. Es gibt keinen anderen Weg zum wahren Selbst. Erst wenn das Spiel nicht mehr funktioniert, beginnst du zu erkennen.
Du darfst dich für dich Entscheiden.
Das Wichtigste, was du wissen und fest in dir verankern solltest, ist, dass du wählen darfst, dass du entscheidest, was du in deinem Leben anderen geben möchtest und wann du die Zeiten für dich brauchst. Die Existenz stellt uns ohne Unterlass unzählige Möglichkeiten zur Verfügung. Sie fragt dich unablässig, was du haben willst. Sie zeigt dir einen Weg und du sagst ja, und so bekommst du mehr von diesem Weg geschenkt. Es ist einfach nur eine Frage an dich: Willst du diesen Weg? Wenn du nein sagst, bekommst du eine andere Möglichkeit. Ich glaubte lange: Hingabe an das Leben und die göttliche Weisheit bedeutet anzunehmen, was an mich herangetragen wird. Es war ein altes, uraltes Muster des Dienens in mir. Es war mir völlig entgangen, dass ich wählen konnte, dass ich mich entscheiden durfte.
Geben aus Angst
Glaubst du wirklich, dass es für den anderen eine Bereicherung ist, wenn du gibst, obwohl du eigentlich ein Nein in dir hast, weil du vielleicht lieber gerade etwas ganz anderes tun würdest, oder weil du selbst dringend Erholung brauchst? Natürlich sollten wir liebevoll für die Menschen da sein, wenn sie in Not sind, ihnen beistehen und sie trösten, aber wie viel Gejammer ist wirkliche Not? Wie viel davon ist ein gewohnheitsmäßiges Nach-Hilfe-Rufen, wenn es eigentlich darum geht, in sich selbst Antworten zu finden? Ich blickte damals um mich und sah viele Therapeuten und Heiler, die aus einem tiefen Schuldgefühl heraus unermüdlich für andere da waren, ja dies schien sogar manchmal der größte Antrieb zu sein, auch wenn viel über Mitgefühl und Liebe geredet wurde. Auffällig war – und ist – wie viele helfende Menschen selber dringend Hilfe benötigen, wie sehr sie sich verausgaben und dabei nur einen Teil von sich leben, mit dem sie sich identifizieren, als wären sie zu nichts anderem auf der Welt. Vor allem sah ich, dass das ständige Helfen und Für-andere-Dasein bei vielen eher einer Angst, denn der Liebe entsprang. Angst, der andere könnte es nicht ohne mich schaffen, Angst, man könnte schuld sein, dass der andere ganz fällt. Angst, einen Fehler zu begehen, wenn man zu sich selbst steht. Und mir wurde klar, dass Wege der Angst keine wahre Hilfe sein können, weder für den anderen, noch für den, der gibt. Wenn deine Motivation von Angst oder Ego geprägt ist, wirst du irgendwann eine Menge Arbeit vor dir haben. Denn entweder die Umstände oder dein Innerstes sorgen dafür, dass du in deinem Haus Ordnung schaffen musst, damit du aus deiner Stille und Freude heraus deine Hilfe verteilen kannst. Zuerst erreiche Frieden in dir selbst und dann gib Heilung, Freiheit und Liebe in deine nahe Umgebung – in deine Familie, deine Nachbarschaft und deine Herkunftsfamilie. Danach kannst du deinen Bereich ausdehnen.
Geben aus der Essenz
Als ich im Laufe der Jahre herausfand, wie viel an „Verströmen“ ich mir zumuten konnte, um noch stabil meine Mitte zu bewahren, konnte ich meine Liebe zu mir und zu den Wesen immer weiter ausdehnen. Wenn du deine Liebe zu dir bewahrst, kann keine Angst gedeihen. Wenn du weißt, welche Zeit-Räume du für dich brauchst, gibst du in den Zeiten des Verströmens wahrlich von deinem göttlichen Licht. Agierst du aus tiefster Freude am Leben, weil dein Selbst genährt ist, wachsen dir viel stabilere Kräfte zu, und du kannst dich frei verströmen. Dein Mitgefühl, dein Lieben, dein Einverstanden-Sein wird spürbar für jeden, der zu dir kommt. Und dein Hilfe-Geben wird frei sein von Angst, denn du weißt, dass du nur der Mittler bist, ein Kanal, und du nichts tust und auch gar nichts tun kannst, denn es wird getan und in diesem Moment gerade durch dich. Es macht dir einfach Freude, dich zur Verfügung zu stellen. Wenn du aus deiner Essenz, aus deiner inneren Fülle heraus geben kannst, so ist das purer Segen für dich und für andere.
Eva Denk ist mediale Astrologin und spirituelle Lehrerin. Mit dem Musiker und Klangheiler Christopher Amrhein setzt sie sich seit 2011 als Gruppe SALIMUTRA intensiv mit den Seelenessenzen auseinander. In ihrem Buch Seelenessenz und Urwunde – Heimkehr in dein wahres Selbst wird dieses neue und zugleich uralte Wissen erläutert, das den Menschen hilft, wieder in die ureigene Kraft zu kommen. Weitere Infos auf www.salimutra.de
Zwischen Muttersein und Selbstverwirklichung ... von Amira Trümner und Anne Hackenberger
Jede Frau hat ihre Geschichte zu erzählen über das Mutter-Sein. Über den Anspruch, es gut zu machen und den großen Wunsch, unseren Kindern die Liebe zu geben, die sie verdienen. Manche Mütter haben auch eine Geschichte über ihre Sehnsucht zu erzählen. Denn neben dem Herz, das für die Kinder und die Familie schlägt, ist da auch der große Wunsch nach Selbstverwirklichung.
Um Muttersein und Selbstverwirklichung zu verbinden, müssen wir Vorstellungen über Bord werfen und Pionierinnen für den eigenen Weg werden. Das ist gar nicht so leicht, denn wir haben hier kaum Vorbilder. Alles „unter einen Hut zu bringen“ erscheint oftmals unmöglich. Um die notwendigen Veränderungen in der Welt zu bewirken, braucht es uns Frauen. Frauen, die mit mutigen Ideen und ihren Visionen voran gehen. Frauen, die Kinder ins Leben begleiten, die mutig und stark genug sind, sich in einem System zu bewegen, das kurz vor dem Kollaps steht.
Das Muttersein anders leben, als geplant
Es sind oft unsere Bilder von einer guten Mutter, die uns so atemlos machen. Die Idee, wir müssten immer funktionieren, nie ausrasten, stets verfügbar sein. Wir dürfen lernen nicht mehr aus der Perspektive: "Wie wäre die perfekte Mutter?“ zu schauen, sondern „Wie kann ich meinem Kind ein Vorbild darin sein, glücklich, erfüllt und zufrieden zu leben? Und wie kann ich ihm das Gefühl geben, dass sein Platz in meinem Leben sicher und gewollt ist?“ Fragen wie diese können uns helfen, in Kontakt mit unserem Herzen zu bleiben. Manchmal braucht es allerdings auch eine echte Umstrukturierung der Familie. Weg vom „so lässt es sich organisieren“ hin zu „so macht es uns glücklich.“ Das bedeutet, wirklich zu fühlen und ehrlich mit sich selbst zu sein. Was brauche ich? Was brauchst du? Was brauchen wir?
Sich fühlen. Sich zulassen. Sich wandeln.
Ein guter Weg, um leichter zu erkennen, was gerade „dran“ ist, besteht darin, sich wieder mit der eigenen Körperweisheit zu verbinden. Es ist ein achtsames Hineinspüren in den eigenen Körper, ein Lauschen auf das Wissen meines Körpers. Was spüre ich dort? Wenn wir in unseren Körper kommen, uns unserer Gedanken und Gefühle bewusster werden, lernen wir in uns zuhause zu sein. Wissen und Weisheit darum wie es geht, eine nährende Mutter zu sein und unseren Platz in der Gemeinschaft einzunehmen, leben in jeder Frau – in jeder Zelle. Wir wissen, wie Leben geht. Wir gebären es seit Jahrmillionen.
Sich den Fragen widmen, die wir nicht laut stellen
Wenn wir etwas Zeit für uns finden, dann kommen oft Fragen ans Licht, die wir im geschäftigen Alltag nicht laut stellen. Was will ich eigentlich vom Leben? Wo ist mein Platz? Was ist meine Bestimmung? Bestimmung ist keine im Außen gelebte Beschäftigung, sondern die in uns wach gewordene Liebe unseres Lebens. Es ist das, was sich durch uns erfüllt, wenn wir uns erlauben, ganz wir selbst zu sein. Wir müssen dafür niemand anders werden und nirgendwo anders hin. Wir dürfen dabei genauso wie beim Muttersein Masken und Bilder fallen lassen. Vorstellungen loslassen. Lieben. Die eigene Bestimmung zu leben, ist dem Weg des Mutterseins sehr ähnlich, denn es geht um tiefes und authentisches Einlassen und präsent sein. Daraus entsteht eine neue Wirklichkeit, für die wir wie geschaffen sind und die wir nicht mühsam erschaffen müssen.
Muttersein und Selbstverwirklichung zu leben, ist möglich.
Frauen sind Schöpferinnen und verbunden mit dem weiblichen Prinzip des Empfangens, Austragens und Gebärens. Wir gebären Kinder und Projekte. Wir gebären gewissermaßen auch die Welt um uns herum. Jeden Tag. Je mehr wir unser Leben im Einklang mit uns selbst bringen, desto leichter gelingt jede Art von Geburt – die unserer Kinder, aber auch die unserer Projekte.
Eine Frau, die weiß wer sie ist und auch weiß, dass sie ihren Signalen vertrauen kann, kommt ganz automatisch in ihre Kraft und findet ihren ganz eigenen Weg. Sie kann ihren Platz einnehmen in der Welt – spüren, wo sie wirklich gebraucht wird, wohin ihr Herz sie ruft – in aller Klarheit und voller Liebe. Denn das ist die Essenz von dem, was wir wirklich sind – die reine Kraft, die reine Liebe. Wir alle kommen auf die Welt, um Liebe zu erfahren und Liebe zu schenken, mit unserem ganzen Sein. Wir haben es nur vergessen. Wenn wir uns erlauben, das zu sein, was wir wirklich sind und dies weitergeben an unsere Kinder, dann sind wir vollständig – als Mutter – als Frau – als Mensch.
Amira Trümner ist spirituelle Lehrerin und begleitet Menschen dabei, ihr eigenes Wesen und die damit verbundenen Potentiale und Lebensaufgaben zu erkennen und zu leben. www.amira-truemner.de
Anne Hackenberger ist Paar- und Familientherapeutin und Achtsamkeitslehrerin. Ihre Passion ist, Bewusstseinsentwicklung und Familienleben zusammenzubringen. www.achtsamkeit-und-familie.de
Veranstaltungshinweis: Online-Seminartag „Ein Herz voller Sehnsucht und alle Hände voll zu tun – Zwischen Mutter-Sein und Selbstverwirklichung“ am 30. August 2020
Älterwerden ist nichts für Anfänger. Aus dem Buch von Bernard S. Otis
Weisheits-Nugget #9: Der größte Mythos überhaupt: „Ich habe das alles allein geschafft"
In meinem Leben hatte ich das Privileg, einigen der weltweit größten Führer auf dem Gebiet der Wirtschaft, Religion, Bildung und Politik zu begegnen und ihren Rat zu erhalten. Im Jahr 1957 war ich als Präsident des Harper Woods Michigan Rotary Clubs begeistert, Sebastian Sperling Kresge als unseren Gastredner vorstellen zu dürfen, den berühmten Einzelhändler, der unter seinem Namen die Billigläden gegründet hatte, aus welchen später K-Mart wurde.
Ich fragte ihn, welchen Rat er einem 28-Jährigen wie mir geben würde, der noch am Beginn seiner Karriere stehe. Seine Antwort war interessant. Er sagte mir: „Junger Mann, wenn Sie in höheren Kreisen verkehren wollen, lernen Sie, mit der Masse umzugehen und gute Beziehungen zu knüpfen.“
Wenn ich auf mein Leben zurückblicke und beobachte, was in der Welt los ist, scheint mir dieser Rat absolut richtig zu sein – selbst heutzutage. Jedes Mal, wenn ich jemanden sagen höre, er sei ein „Selfmade-Man“ oder er habe „alles allein geschafft“, denke ich: „Tatsächlich? Wollen Sie damit etwa sagen, dass Ihre Eltern und Lehrer keinen positiven Einfluss auf Sie hatten? Haben Ihre vielen Freunde und Verwandten nicht zu Ihren Denkprozessen beigetragen? Konnten Sie Ihren Erfolg ohne Geldinstitute finanzieren?“ Ich denke: „Wurde der Erfolg nicht erst durch die Hilfe von Angestellten und Käufern ermöglicht? Was ist mit der Liebe und Unterstützung, die Sie von Ihren Partnern, Kindern und anderen Menschen in Ihrem Leben erhalten hatten? Und schließlich: Wenn Krankheit, Tragödien und/oder der Alterungsprozess zuschlugen, war Ihr weiterer Erfolg reine Glückssache oder sprangen andere ein, die fortsetzten, was Sie begonnen hatten?“
Schließen Sie sich mir auf einer Tour durchs Leben an. Begleiten Sie mich zu den vielen Unternehmen, die ich besucht habe, den Meetings, an denen ich teilnahm, und den Handelsmessen, an denen ich mitgewirkt habe. Aber gehen Sie mit mir vor allem in die Hospitäler, Rehabilitationszentren, Privathäuser, und besuchen Sie mit mir die Senioren. Sprechen Sie mit den vielen alleinerziehenden jungen Müttern, die mit der Aufgabe, ihre Kinder zu erziehen und ihre Familien durchzubringen, allein gelassen wurden und dabei innovative Geschäftsideen entwickelt haben. Neulich traf ich mich mit einer dieser Frauen.
Denise ist hübsch, dynamisch, sympathisch, energievoll und steht dem Leben sehr positiv gegenüber. Sie hat ein Wasserfiltersystem entwickelt, mit dem sich gesundes, sauberes Wasser herstellen lässt. Und sie hat beschlossen, eine Vertriebsgesellschaft zu gründen, um ihren Wasserfilter auf den Markt zu bringen. Sie fragte mich, ob sie ihn mir vorführen dürfe, und ich willigte ein. Aufgrund meiner Erfahrung im Marketing und Verkauf war ich mehr von ihrem Engagement und ihrer Entschlossenheit fasziniert als von ihrer ausgezeichneten Geschäftsidee. Nach der Präsentation sprachen wir darüber, und ich gab ihr ein paar Ratschläge, wie sie Erfolg haben könnte.
Fragen Sie alle, die ich beschrieben habe, ob sie es ganz allein geschafft hätten. Und was ist der entscheidende Punkt von all dem? Es ist der, dass wir in jeder Phase unseres Lebens andere Menschen brauchen, die uns helfen. Ob im Geschäftsleben oder bei der Erziehung, es ist wichtig zu erkennen, dass es so ist – so ungern wir im Alter auch von anderen abhängig werden. Es wird definitiv irgendwann der Fall sein.
Wir werden nicht als Individuen geboren. Wir werden in eine Gemeinschaft von Menschen hineingeboren, und wenn wir ein glückliches Leben führen und Widrigkeiten aus dem Weg gehen wollen, müssen wir Beziehungen aufbauen, einander helfen und die Hilfe anderer bereits in jungen Jahren akzeptieren.
Es gibt die Geschichte eines sehr erfolgreichen Industriellen, der bei einem Bankett in New York als gefragter Redner vorgestellt wurde. Die Person, die ihn ankündigte, hob hervor, dass der Redner vor vielen Jahren von Europa in die Vereinigten Staaten kam und seine Habe in einem Sack mit sich trug, den er ans Ende eines langen Stocks geknotet hatte – er hatte sich im Laufe der Jahre ein Imperium aufgebaut.
Nach der Ansprache des Gastredners ging ein Mann zu ihm hin und fragte ihn: „Was haben Sie in dem Sack am Ende des Stocks denn mit sich getragen?“ Kleinlaut antwortete der Redner: „25.000 Dollar in bar und eine Million Dollar in Aktien und Obligationen.“
Es wäre zwar schön, glauben zu können, dass jeder erfolgreiche Mensch zu Beginn so gut ausgestattet war, Tatsache ist jedoch, dass Visionen und geschicktes Vorgehen nur ein Teil des Erfolgsrezepts sind. Auch andere Menschen sind ein unverzichtbarer Bestandteil, und deshalb ist es so wichtig, immer daran zu arbeiten, Beziehungen zu knüpfen.
In den frühen 1920er- und 1930er-Jahren gab es eine italienische Einwandererfamilie, die in Detroit, Michigan, ein kleines Chemieunternehmen führte. Die Familie war viele Jahre Kleinproduzent, sie stellte ihr Produkt tatsächlich in einer Art Badewanne her und verkaufte es an Haushalte und Geschäfte.
Während der Weltwirtschaftskrise geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. Mein Vater, der Buchhalter war (bevor es zertifizierte Wirtschaftsprüfer gab), managte eine bekannte Fleischverpackungsfirma einer katholischen Familie, deren Besitzer an Krebs erkrankt war und im Sterben lag. Der Besitzer des Chemieunternehmens war Kunde der Firma meines Vaters. Eines Tages kam der Besitzer zu meinem Vater und teilte ihm mit, dass sein Unternehmen in Schwierigkeiten steckte und er 3000 Dollar bräuchte, sonst müsste er den Betrieb aufgeben. Ich war Zeuge dieses Gesprächs, allerdings war ich damals noch ein kleiner Junge. Der Besitzer des Chemieunternehmens bot meinem Vater im Gegenzug für das Geld eine 50-Prozent-Beteiligung an seiner Firma an. Dad erklärte ihm, dass er nichts mit Investitionen in andere Firmen zu tun habe, händigte dem Mann 3000 Dollar aus und sagte ihm, er solle sich über die Rückzahlung keine Gedanken machen – er solle nur Erfolg haben. Der Name des Produkts war Roman Cleanser. Heute heißt es Clorox!
Es mag schön klingen, wenn man sagt, man habe es allein geschafft, aber hinter jedem erfolgreichen Mann steht nicht nur eine nörgelnde Frau (hahaha), sondern auch ein Freund, der ihn versteht.
Ich habe nicht die Absicht, über Prominente zu schreiben und berühmte Namen fallen zu lassen, sondern Geschichten von realen Menschen zu erzählen, die Gutes tun, um anderen zu helfen. Das belegt, dass wir alle einander brauchen und es nicht allein schaffen.
Ein Verwandter von mir war ein sehr bekannter Manager in der Unterhaltungsindustrie, der schwer arbeitete, sich mit viel Unterstützung einen Namen machte und für sich und seine Familie ein Vermögen aufbaute. Tatsächlich war die Familie seiner Frau einst so arm gewesen, dass Verwandte ihnen helfen mussten, damit sie überleben konnten.
Jedes Wochenende nahm er seine Kinder in einem Cabrio mit, steckte Hunderte Dollar in großen Scheinen hinter die Sonnenschutzblende und fuhr durch die ärmsten Stadtviertel von Los Angeles. Die Scheine gab er Obdachlosen, die an den Straßenecken standen. Danach gefragt, warum er große Summen an vollkommen Fremde verschenkte, die da Geld für die falschen Dinge ausgeben könnten, antwortete er, dass es nicht seine Aufgabe sei, anderen zu sagen, wie sie ihr Geld auszugeben hätten. Er sagte, sie hätten die Gelegenheit verdient, eine Chance im Leben zu bekommen und selbst zu entscheiden, welchen Weg sie einschlagen wollten.
Ungeachtet ihrer finanziellen Lage, ihres Bildungsniveaus, ihrer Rasse oder religiösen Einstellung ist es für jedes Mitglied einer Gemeinschaft entscheidend, einen Weg zu finden, anderen Menschen zu helfen. Sei es mit Geld, Nahrungsmitteln, Ermunterung oder einer Arbeitsstelle – Hilfe und Unterstützung sollten mit Freude bereitgestellt werden. Die einzige Vergeltung, auf die Sie hoffen sollten, ist Liebe und der Erfolg, der dadurch begründet wird.
Der Buchauszug wurde abgedruckt mit freundlicher Genehmigung des Verlags Mankau.
Buchtipp:
Bernard S. Otis: Älterwerden ist nichts für Anfänger – Warum jeder Augenblick zählt und was ich gern früher gewusst hätte. Mankau 4.2020, 270 Seiten, 16,90 Euro, ISBN-978-3-86374-555-4, Infos unter: www.mankau-verlag.de
Die Weisheit der Körperebene ... Matthias Grimm
Inmitten unserer Alltage mit ihren vielfältigen Anforderungen passiert es schnell, dass wir die Spur verlieren können. Verinnerlichte hohe Leistungsanforderungen, die ständig erwartete Erreichbarkeit in beruflichen und privaten Dingen, immer mehr zur Normalität werdendes Multitasking und an Sucht grenzender Medienkonsum setzen unser System unter einen permanenten Druck. Es gibt ein ganzes Bündel von Angeboten, Coaches und Büchern, die diesen Zustand in den Blick nehmen und Selbstoptimierungsstrategien innerhalb dieser Leistungskultur anbieten. Dieser Ansatz führt nach meiner Meinung oft über die tückische Schiene der Vergleichbarkeit und Messbarkeit zu einem Kaschieren der eigentlichen Konfliktlagen, weil er im System bleibt und es manifestiert. In den meisten Fällen wird eine smarte Einbindung in die gesellschaftlichen und besonders industriellen Prozesse in den Fokus gestellt und der eigentliche Problembereich, der Widerstreit der Originalität einer jeden Persönlichkeit mit ihren Potenzialen gegen die egalisierende und konfektionierende Maschinerie, eher gestutzt. Das allgegenwärtige Funktionieren im Leistungskarussell ist das goldene Kalb, um das dieser Tanz letztlich weitergehen will. Wer da, wie viele Menschen, keinen entwickelten Kontakt zu seinem authentischen Persönlichkeitskern hat, geht schnell verloren und gerät in eine Achterbahnfahrt seines Selbstwertempfindens, vom narzisstischen Schwung bis zur depressiven Verzweiflung.
Im Flachland der Beruhigungsindustrie
Viele Menschen erkennen diese Verwerfungen wohl und suchen Auswege. In den meisten Fällen ist das erst einmal Ablenkung, Zerstreuung und dann weiter die Suche nach Techniken und Methoden, die schnell in eine Ruhezone bringen, aber eigentlich nichts grundlegend ändern sollen. Quasi eine sedierende Pille zum Abschalten und Beruhigen. Diese Instantmethoden setzen meist an den Ebenen des Verstehens, Monologisierens, Strukturierens und Diskutierens an. In einer Kultur, in der der Verstand die Dominanz hält, ist das erst einmal naheliegend, löst aber nichts wirklich. Tiefere persönliche Problemlagen lassen sich nun einmal nicht alleinig kognitiv und mental lösen, da das wichtige Ebenen ignorieren würde und dieses Ignorieren Teil der Störungen ist. Ken Wilber bezeichnet diese einseitige Orientierung der Lebensweise und deren Lösungsvorschläge in seinem integralen Deutungsansatz trefflich als Flachlandideologie und setzt dem seine Vision des ganzheitlichen Holons entgegen.
Das Fehlen des anderen Teils
Unsere Kultur hat einen langen Prozess der Abtrennung von körperlichem Wissen und geistiger Weisheit hinter sich. In den großen wortorientierten Religionen ist das in der alleinigen Dominanz des Wortes erkennbar. Die Körperebene wird ignoriert und vielfältig sogar verteufelt. Die Folge dieses Fehlen des anderen Teils ist der aktuelle, strukturell problematische und unglückliche Zustand unserer Lebensweise. Verwirrung, Sehnsucht und große Disharmonien im Leben des Einzelnen werden empfunden. Das setzt sich in den Fehlentwicklungen globalen Wahrnehmens und Handelns fort. Spätestens seit dem Eintreten großer Veränderungen im Weltklima und den sich immer stärker abzeichnenden Verwerfungen in der sozialen Weltgesellschaft kommt ein allgemeines Gefühl des Ungenügens auch in der breiten Wahrnehmung an. Tief gefühlt stimmt grundlegend irgendetwas nicht.
Der Körper als Verbindung zur Welt
Körperlichkeit endet nicht an den Hautgrenzen der einzelnen Individuen, sondern beschreibt den gesamten Weltzusammenhang. So ist eine Heilung und Glückseligkeit des Einzelnen nicht wirklich ohne Berücksichtigung der einbettenden Umstände möglich. Das Herausnehmen aus dem Zusammenhang wäre ein hoffnungsloser Abschottungsversuch der Egodimension und wesentlicher Teil der allgemeinen Krankheit – Wellspirit ist Kosmetik über dem Ungelösten. Eine Art Gated Community der Glückseligen – das klappt leider so nicht. Chögyam Trungpa Rinpoche, einer der wichtigsten Vertreter des entwickelten zeitgenössischen Buddhismus, bringt diese nur symptomorientierten Lösungssysteme im spirituellen Supermarkt auf den treffenden Begriff „Spiritueller Materialismus.“ Körperorientierte Persönlichkeitsarbeit setzt auf die Entwicklung des Zugangs zur Weisheit der Körperebenen unter Einbeziehung auch der mentalen Ebenen. Das Erweitern der Bewusstheit auf diese körperlichen (somatischen) Ebenen ist eine Erweiterung in den Gesamtzusammenhang Welt und gegen eine Abkapselung und Verpanzerung einzelner Anteile. Respektieren wir unsere Körperlichkeit, ist die Öffnung zur Ganzheit möglich. Die Hoffnung liegt in der Öffnung des Einzelnen und in der Bewegung zu Ganzen. Spirituelle Arbeit leistet dazu einen wesentlichen Beitrag.
Im Lärm der Stille
Fast jeder Meditierende kennt die Herausforderung der Stillen Meditation. Die Stille kann sehr laut sein. Vor allem die Menschen der westlichen Kulturen sind in ihrer oben beschriebenen tiefen Prägung auf diskursive Denkprozesse herausgefordert, wenn Stille eintritt. Gerade hier lässt sich unsere mentale Verwicklung am besten beobachten und gerade hier – das ist die gute Nachricht – beginnen die Lösungsmöglichkeiten. Wir wissen auch, dass es nichts bringt, diesen Lärm unterdrücken zu wollen. Dieses Wollen verstärkt das Theater nur weiter. Sich vom Kampf in die Hingabe zu bewegen, ist ein erster großer Schritt. Den passenden Einstieg zu finden, ist eine sehr individuelle Entscheidung. Geduld und Zulassen sind der Rahmen zu einer eigenen Entwicklungspraxis. Ich rate dazu, am Anfang einfache, körperorientierte Angebote zu besuchen. Wenig Theorie, viel praktisches Erfahren. Eine einfache Yogapraxis, Tanzworkshops, Trommelkurse, Singen und Tönen bringen sehr fühlbar einen Einstieg und Entwicklungsmöglichkeiten. In allen dürfte neben der Bewegung die Verbindung zu einem bewussten Atem eine Rolle spielen. Es gibt eine ganze Menge aktiver Meditationstechniken, die für uns einen guten Einstieg in eine Praxis über den Körper ermöglichen. Ein großer Teil der OSHO-Meditationen zählt hier dazu.
Die Stille des Klangs
Die Arbeit mit Klang und Tönen ist eine überzeugende Möglichkeit aktiver Meditationspraxis. Am intensivsten ist dabei die Arbeit mit der eigenen Stimme. Unsere Stimme entsteht aus der physischen Vibration unseres Atems im Bereich des Stimmapparates und setzt sich bis in die Tiefe unseres Körpers fort. Vibrationswellen durchdringen die Organe, Gefäße, Zellstrukturen sehr erfahrbar. Alle gesprochenen Worte und Töne sind Formeln von energetischen Resonanzmustern. So funktioniert die Wirkungsmagie in Gesängen, Heilworten und z. B. Mantras. Ich halte es für unerlässlich, diese mindestens am Anfang tatsächlich zu sprechen und zu singen, um das Mitschwingen im physischen Körper zu erfahren. Daraus entsteht ein Klangmuster, das in die Stille nach dem Ton wirkt. Deshalb ist die Praxis mit Originaltexten und Skripten so wichtig. Übersetzungen füttern unseren kognitiven Geist, sind jedoch von der tiefen Grundwirkung zumeist weit entfernt. Oft muss man die genauen Inhalte gar nicht verstehen. Die ältesten, überlieferten Lautstrukturen haben eigene Poesie und Wirkung ohne Erklärung. Gesang und Tönen sind somit eine Urpraxis, um Körper und Geist in eine wahrnehmende Verbindung mit der Welt zu bringen. OM, AUM oder AMEN ist solch eine Formel aus den Urtiefen unserer Überlieferung.
Tantrische Körpermeditationen
Eine der großen, lebendigen Traditionslinien einer körperorientierten Praxis finden wir im tibetischen, tantrischen Buddhismus – Vajrayana. Deren wichtiger visionärer Vertreter, Chögyam Trungpa Rinpoche, brachte diese Linie in die westlichen Kulturen. Er verließ Tibet in den Wirren der Endfünfzigerjahre. Über Indien und Großbritannien gelangte er nach Nordamerika, wo er in Colorado die Shambhala Übermittlungslinie begründete. Diese Linie nahm Erfahrungen der westlichen humanistischen Psychologie in die alten überlieferten buddhistischen Praxislinien auf und entwickelte so einen für die westliche Kultur erfahrbaren Praxisansatz. Sein Ansatz ist sehr offen angelegt und so fähig, aktuelle Entwicklungen zu assimilieren. Chögyam Trungpa hat eine größere Anzahl lesenswerter Bücher veröffentlicht, in denen er zu großen Teilen ganz praktisch seine Lehrlinie beschreibt. Trungpa war durchaus ganz im urtantrischen Sinne Rebell, der es vermochte, die überlieferten buddhistischen Strukturen von institutionalisierten Erstarrungen zu befreien und in eine geklärte Formessenz zu überführen. Aus der Schar seiner Schüler entstanden verschiedene Schulen, von denen eine der Wichtigen in der Dharma Ozean Organisation ihren Ausdruck fand. Dharma Ozean ist eine aktive Gruppierung um den Lehrer, Autor und Initiator Reginald A. Ray. Ray ist eine inspirierende Figur, der ein System von körperorientierter Praxis anbietet, das über die alleinige Erfahrungsebene vermittelt wird. Die Strukturen, hier Protokolle genannt, arbeiten vor allen Dingen mit bewusstem Atem und Visualisierung im Körper und darüber hinaus. Das System ist in seinem Aufbau erfahrbar strukturiert, von theoretisch-esoterischem Überbau weitgehend frei, praxisnah, sehr subtil gestimmt und in unserem Kultursystem nach kürzerer Praxis nachvollziehbar. Es ist eine Reise durch die Ebenen der Körperlichkeit von grobstofflichem, anatomischem Sein über die feineren, energetischen Bewegungen bis in den offenen Raum des Erfahrens des Weltkörpers Licht. Alles fließt, alles ist. Es ist, was ist. Auch Reginald A. Ray hat verschiedene Praxisbücher veröffentlicht, von denen einige auch als praxisbegleitende Hörbücher verfügbar sind und auch als deutsche Übertragungen existieren. Ich selbst fühle mich, ebenfalls aus der tibetisch tantrischen Praxis kommend, dieser inspirierenden und erweiternden Linie zunehmend verbunden und habe diese Erfahrungen auch in meine Lehrangebote einfließen lassen. Das tue ich gerne und bin überzeugt, dass die Schritte zur Klärung und Öffnung nur über die Ebenen der Körperlichkeit führen. Das Göttliche wohnt in jeder Zelle. Alle Praxis und alle Meditationstechniken sind kein Selbstzweck. Sie sind Hilfsmittel zur Öffnung. Stück für Stück mit Neugier, Geduld und Hingeben können.
Matthias Grimm ist Psychotherapeutischer Heilpraktiker in Berlin mit dem Focus auf Atemarbeit, Achtsamkeitspraxis und Körpermeditation, Soundmeditationen, Beratung und Workshops. Weitere Infos auf www.lebensforscher.de www.lebensforscher.de
Patanjalis acht Strahlen der Sonne im Licht von Wald-Yoga ... Reiner Angermeier
Wir Menschen sind Natur und als natürliche Wesen haben wir eine Sehnsucht in uns, uns immer wieder aufs Neue miteinander und mit allem, was beseelt ist, zu verbinden. Es ist noch gar nicht so lange her, dass genau hier an diesem Ort, wo wir uns gerade befinden, Wald wuchs. Die meiste Zeit in unserer Evolution waren wir Waldbewohner. Der Wald ist unsere Urheimat und der Ort an dem wir uns wieder mit unserer innersten Natur verbinden können. Alleine schon der regelmäßige Aufenthalt in der Natur und der Gang in den Wald helfen uns in dieser Hinsicht sehr. Vor ca. 2500 Jahren hat der Seher Patanjali seine berühmten Yogasutren verfasst. Sehen bedeutet im yogischen Sinne Erkennen. Praktisch alle Yogaschulen berufen sich im Kern ihrer Lehre auf diese 196 Sutren des Patanjali.
Insbesondere die acht Methoden in seinem 2. Buch, Sadhana Padha, sind die essenzielle Grundlage für den Yoga, den wir heutzutage praktizieren. Für mich sind diese Methoden wie Sonnenstrahlen, die durch eine regelmäßige Praxis angewandt, dein bewusstes Sein in einem größeren, allumfassenden Licht erstrahlen lassen. Das Wort „Sein“ leitet sich ab von dem Wort „Sonne“. Auf der stofflichen Ebene mag die Sonne um ein Vielfaches größer sein, und doch scheint ihr Licht in jedem beseelten Wesen. Das transformierte Sonnenlicht ist als elementares (männliches) Bewusstsein in unseren Zellen gespeichert und bildet mit der (weiblichen) Energie, der Mutter Erde, die Grundlage für das Leben auf diesem Planeten, in dieser Form, unserem Körper.
Viele Menschen verbinden mit Yoga lediglich Körperübungen (Asanas). Doch dies ist nur ein Sonnenstrahl, wenngleich ein überaus bedeutsamer. Erst mal ist es wichtig, dass wir unseren Körper wieder vollständig spüren und so auch ein Bewusstsein für die feine Wahrnehmung bekommen können. Vor den Asanas hat Patanjali zwei andere Strahlen gesetzt: Yama und Niyama. Darin sind jeweils 5 Lebensweisheiten benannt, die sich auf das menschliche Verhalten nach Außen (Yama) bzw. mit dem Umgang mit dir selbst (Niyama) beziehen. Wichtig hierbei ist, diese Weisheiten nicht als moralischen Fingerzeig zu verstehen. Vielmehr erlaubt dir die yogische Entwicklung deines Bewusstseins, die Yamas und Niyamas als Grundsatz eines guten und achtsamen Lebens zu verinnerlichen. Im Zuge dieser Bewusstseinsschulung ist beispielsweise eine grenzenlose Ausbeutung der Erde, wie sie aktuell betrieben wird, überhaupt nicht mehr möglich. Als vierter Strahl nach den Körperübungen beschreibt Patanjali die Ausdehnung der Lebensenergie durch die Atmung. So übersetze ich gerne Pranayama.
Nun wird die Praxis allmählich immer feiner: Als fünften Strahl erfahren wir, wie Pratyahara unsere Sinne immer weiter schärft. Je mehr wir uns auf das feine Spiel mit den Elementen einlassen können, desto mehr erleben wir mit unseren Sinnen die natürliche Wirklichkeit. Dharana, der sechste Strahl, heißt übersetzt das „Fließen“ und meint, dass wir in Gewahrsein im Zuge der Ausrichtung auf die Sinne, immer tiefer eintauchen und lernen, darin zu verweilen. Wieder bekannter ist Patanjalis siebter Strahl: Dhyana, oder Meditation. Mittlerweile bieten viele Yogaschulen Meditation als Gegenpol zu der in unserer Gesellschaft weit verbreiteten Unruhe und Energielosigkeit an. Dabei gibt es zum Teil verschiedene Ansichten darüber, was Meditation eigentlich ist. So können wir uns mittlerweile von einer Vielzahl von Meditationstechniken leiten lassen. Für Patanjali ist Meditation in erster Linie eine Weiterführung von Dharana: Jede Sinneserfahrung, die du machst, führst du in diese Erfahrung des Fließens hinein. Meditation ist also vielmehr ein tiefes Eintauchen in die Fülle, als ein „Abschalten“, wie es manchmal definiert wird. Und so kann letztendlich Samadhi, der achte und letzte Sonnenstrahl, sich entfalten. Samadhi, das sanfte Schweben, ist keine Methode oder Technik mehr, sondern ein Seinszustand, in dem du deine Natur ganz unmittelbar fühlen kannst und deinem Wesenskern und deiner Essenz immer näher kommst.
Im Folgenden die acht Strahlen des Patanjali im Überblick:
- Yama: Aus deiner Präsenz ergeben sich Lebensweisen, wie du dich deinem Umfeld gegenüber verhältst. Im Einzelnen sind dies: - Nicht-Schaden (Ahimsa), - Aufrichtigkeit (Satya), - Nicht-Stehlen (Asteya), - Leben im Bewusstsein um die Quelle (Brahmacharya), - Nicht-Anhaften (Aparigraha).
- Niyama: Aus deiner Präsenz ergeben sich Lebensweisen für den Umgang mit dir selbst. Dazu gehören: - Reinheit von Körper und Geist (Shaucha) und damit die sechs Shatkarmas (die Reinigungstechniken: Neti, Dhauti, Basti, Nauli, Trataka und Kapalabhati), - Zufriedenheit (Santosha), - Ständiges Glühen (Tapas), - Selbsterforschung (Svadhyaya), - Hingabe an die Quelle (Ishvara-Pranidhana).
- Asana: Haltung des Körpers, Meditationshaltung oder auch einfach im Körper sein
- Pranayama: Ausweitung der Lebensenergie über die Atmung.
- Pratyahara: Ausrichtung auf die Quelle über die Sinne und ziehen lassen von Gedanken.
- Dharana: Im Fluss des Lebens sein.
- Dhyana: Meditation, sich ganz im Gewahrsein versinken lassen.
- Samadhi: Der Geist in vollkommener Stille, Schweben, Erleuchtung, Freiheit, Auflösung von Form und Zeit, Essenz erfahren.
Das Buch von Reiner Angermeier zum Weiterlesen:
Wald-Yoga – Die acht Strahlen der Sonne. Synergia Verlag, 8.2019, 16,90 Euro, www.synergia-verlag.ch
Genveränderte Nahrung: gesundheitliche und ökologische Risiken ... von Christian Salvesen
„Lasst Nahrung eure Medizin sein!“, soll der Arzt Paracelsus gesagt und mit seinem Ansatz im 16. Jahrhundert in Mitteleuropa eine Umstellung in der Ernährung und in der Küche bewirkt haben. Einer der entscheidenden Wendepunkte vom Mittelalter zur Neuzeit.
Ernährung und Gesundheit: Das Thema ist weiterhin – nun wohl an zweiter Stelle nach Corona – in aller Munde, der Dauerbrenner in den Medien. Damit zusammen hängt ein anderes brisantes Thema, nämlich ökologische Landwirtschaft und Gentechnologie.
Die Geschichte der amerikanischen Journalistin und Mutter Caitlin Shetterly bringt die Verbindung auf den Punkt, demonstriert die Schnittstelle. Caitlin litt jahrelang unter allergischen Reaktionen auf gentechnisch veränderten Mais. In den USA enthalten fast alle Lebensmittel, sogar die in Bioläden, kleine Mengen an GMO-Mais. GMO bedeutet „Genmodifizierte Organismen“. In Deutschland heißt dies meist GV, genverändert.
Nachdem ein Arzt schließlich die Ursache für die unerträglichen Schmerzen, die Übelkeit und die Hautausschläge herausgefunden und die radikale Ernährungsumstellung auf Ökoprodukte geholfen hatte, recherchierte die engagierte Journalistin in den USA und auch in Deutschland. Es wird in ihrem Buch „Genbombe. Wie sich genmanipulierte Lebensmittel unbemerkt in unser Essen schleichen“ (Heyne) deutlich, wie die von Monsanto und anderen Konzernen eingeführten genveränderten Maissorten riesige Anbaugebiete im Mittleren Westen zu Monokulturen verschandelt haben, wo kein Grün mehr zu sehen ist. Denn dieser Mais ist genetisch so präpariert worden, dass er schädliche Insekten tötet – leider aber auch nützliche. Und er ist resistent gegen Herbizide wie Glyphosat.
So sehr sich die Farmer in den USA zunächst freuten, dass der neue Mais so gut gegen alle Widersacher geschützt zu sein scheint – ist das Insektengift nun nicht im Mais selbst vorhanden? Essen das nicht die Tiere und wir Menschen? Und auch diese Unkrautmittel-Resistenz-Gene. Was bewirkt das im Nahrungskreislauf? Die Zahlen sind alarmierend. Immer mehr Menschen können auch hierzulande nicht mehr mit den herkömmlichen Antibiotika behandelt werden.
Der international anerkannte Wissenschaftsphilosoph Steven M. Druker hat in seinem umfangreichen und sehr detaillierten Buch Altered Genes, Twisted Truth, das in den USA großes Aufsehen erregte (in Deutschland gerade erschienen unter dem Titel „Manipulierte Gene – verdrehte Wahrheit“, Kamphausen Media 2020), den Finger auf die Verschleierungstaktiken der Gentechnik-Industrie im Agrarbereich gelegt. Ich konnte es beim Lesen kaum glauben, wie da nachweislich in den USA und Europa die wichtigsten Gremien und Behörden für die Sicherheit der Ernährung vorsätzlich getäuscht und unterwandert wurden. Und das bis hin zu grundsätzlichen Aussagen von anerkannten Wissenschaftlern in ihren Büchern! Viele Forscher werden unter Druck gesetzt. Die milliardenschweren Firmen haben ein starkes Interesse daran, ihre GMO-Produkte weltweit zu vermarkten. Sie „fördern“ die Forschung und beeinflussen Institutionen, Behörden, Politiker.
Politisch bedeutend ist auch die Leidenschaft von Prinz Felix zu Löwenstein, der sich seit über 25 Jahren als Landwirt für den ökologischen Anbau einsetzt. Und das auf vielen Ebenen und Schauplätzen, sei es bei der jährlichen „Grünen Woche“ oder als Vorsitzender des Bundes „Ökologische Lebensmittelwirtschaft“ (BÖLW). Sein Buch „Food Crash“ macht deutlich, dass wir nur durch ökologischen Anbau die Ernährungsprobleme weltweit lösen können. Das ist vor allem Thema in Kapitel 4, das nahtlos an das dritte anschließt.
Was bedeutet das nun eigentlich: Gentechnik?
Wir haben vom Klonschaf Dolly gelesen. Auch vom Fall der genetisch manipulierten chinesischen Zwillingsmädchen Lulu und Nana!? Nun, die gezielte genetische Veränderung ist ein weites Feld. Sie soll hier keinesfalls generell abgewertet oder grundsätzlich verurteilt werden. In der Medizin wurde durch genetische Manipulation wertvolles Insulin hergestellt. Aus der Diagnostik und Therapie ist das Genlabor heute nicht mehr wegzudenken. Ich habe immerhin begriffen, dass Genetik neben Informatik die heute wohl wichtigste Forschungsdisziplin ist. Was da geschieht und noch möglich ist: unglaublich! Das sprengt alle bisherigen Lebensmodelle. Die Gentechnologie stellte bisher in Deutschland – anders als in Amerika – kaum eine Gefahr dar. Weil die Bevölkerung dagegen war, es immer noch ist. Zum Glück. Doch immer wieder versuchen Konzerne wie Monsanto – seit dem 7. Juni 2018 übernommen von der deutschen Bayer AG und gerade in letzter Zeit verstärkt in den Schlagzeilen der Medien wegen hoher Schadensersatzforderungen – Einfluss zu nehmen auf die Regelungen, drängen in den Markt. Hier ist jeder Einzelne gefordert, die Entwicklung wachsam zu verfolgen. Und das Umweltbewusstsein ist hierzulande nicht zuletzt dank engagierter ökologischer Verbände stark ausgeprägt. Jüngster Erfolg: Das Volksbegehren in Bayern „Rettet die Bienen“. Die erforderliche Anzahl von einer Million Unterschriften wurde weit übertroffen, sodass es zu einem neuen Gesetz zum Schutz der Artenvielfalt kommt, das den Einsatz von Giften in der Landschaft einschränkt. 10 % des Grünlands in Bayern sollen zu Blühwiesen, die Gewässer besser vor Dünger und Pestiziden geschützt werden und alle vom Staat bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen ohne Pestizide auskommen. Das wäre ein Riesenschritt in Richtung ökologische Landwirtschaft.
Ich denke, dass eine verbissene Haltung gegen die Agrar-Industrie, die GMO und die umweltzerstörenden Technologien meinen Bauch verkrampft und meine Sinne und meinen Geist blockiert. Ja, ich informiere mich, ich bin bei sinnvollen Aktionen dabei, kaufe viel Bio, ernähre mich gesund, so, wie ich es mag. Das Leben in diesem Moment voll zu genießen und achtsam zu sein, was mir selbst und meiner Umwelt guttut, das ist letztlich meine simple Empfehlung.
Eine Liste von Forderungen:
10 Forderungen an Industrie, Politik und Verbraucher
an die Agrartechnik-Unternehmen (Monsanto & Co)
Stoppt die Gentechnologie in der Agrarwirtschaft!
+++ Stoppt die Produktion, die Vermarktung und den Verkauf von GVO in der Landwirtschaft
+++ Stoppt die Herstellung von Pestiziden und Herbiziden, welche die Artenvielfalt zerstören. (Glyphosat u. a.)
+++ Verbessert die Untersuchungen in der Forschung bezüglich Gesundheitsrisiken von GVO
+++ Betreibt eine faire Informationspolitik: keine Verschleierungstaktiken, Manipulationen, Drohungen und falsche Versprechungen
An die Politik und Lebensmittelbehörden
+++ Keine Freigabe von genveränderten Mais- und Getreidesorten im Anbau in Europa.
Denn: Speziell der Bt-Mais von Monsanto tötet Bienen und viele andere nützliche Insekten.
Er ist resistent gegen Herbizide wie Glyphosat, die wiederum alle anderen Pflanzen vernichten.
+++ Kennzeichnungspflicht bei GV-Lebensmitteln. Denn: Die Markergene bei der „Genschere“ führen zu Antibiotikaresistenz. GV-Tierfutter macht tierische Produkte zu Allergenen mit toxischen Proteinen.
+++ Objektive Informationspolitik.
Denn: Immer noch werden die gesundheitlichen und ökologischen Risiken von GVO verharmlost und verschleiert.
An die Konsumenten/Verbraucher
+++ Unterstützt den Öko/Bio-Landbau. Kauft die gekennzeichneten Produkte!
+++ Informiert euch über die Herstellung und Bestandteile der Lebensmittel.
+++ Esst weniger Fleisch- und Milchprodukte!
Buchtipp
Christian Salvesen: GENveränderte Nahrungsmittel. Risiken für unsere Gesundheit und Umwelt. Kamphausen Media, Sept. 2019, 17,50 Euro
Christian Salvesen ist freischaffender Journalist und Autor zahlreicher Bücher, Musiker und Zeichner. Weitere Infos auf www.christian-salvesen.de
Christian Salvesen ist freischaffender Journalist und Autor zahlreicher Bücher, Musiker und Zeichner. Weitere Infos auf www.christian-salvesen.de
Vision einer ganzheitlichen Heilkunst ... von Wolf Sugata Schneider
Die bei uns dominante Medizin ist stark technisiert und beruht auf der Naturwissenschaft. Als »Schulmedizin« ist sie in spirituellen und gesellschaftskritischen Kreisen in Verruf geraten. Zu Recht? Sollten wir statt der »Schamanen in Weiß«, die unsere Kliniken und von den Krankenkassen finanzierten Arztpraxen bevölkern, besser Heilpraktikern das Vertrauen schenken?
Aderlass und Placebo-Effekt
Ich habe hierzu keine einfache Antwort parat. Die Schulmedizin bewundere ich für viele ihrer Leistungen, vor allem in Ambulanz, Chirurgie, Orthopädie, Herzmedizin, Zahnmedizin und noch vielen anderen Bereichen. In einer Zeit, da die Ärzte des medizinischen Mainstreams noch keine Ahnung von Hygiene und Infektionen hatten und ihren Patienten für einen Großteil ihrer Leiden bis zu einem Liter Blut abnahmen, »Aderlass« genannt, möchte ich nicht leben – da lobe ich mir die heutige Schulmedizin, dass sie dieses »alternative Verfahren« nicht anwendet. Mit den chronischen Leiden und Zivilisationskrankheiten aber tut sie sich schwer, denn da wirkt der ganze Mensch aufs Krankheitsbild, viel mehr als bei einem reparierbaren Unfall. Da wirken auch Gewohnheiten, Persönlichkeit, der Geist (mens und spirit) mit, alles Bereiche, welche die Schulmedizin nur schwer fassen kann. Wenn sie nicht umhin kann, in diesen Bereichen Heilungswirkungen festzustellen, tut sie die als »Placebo-Effekt« ab. Wobei man diesen Effekt des Geistigen durchaus würdigen sollte, was ja auch viele Ärzte inzwischen tun, es werden immer mehr. Glauben als Täuschung abzutun und als etwas, womit sich ein ehrenhafter Arzt nicht befasst, damit grenzt man diesen wesentlichen Bereich des Menschlichen aus.
Heilpraktiker versus Schulmediziner
Den Heilpraktiker als gesetzlich geregelten Berufstand gibt es erst seit 1939. Die nicht als Ärzte ausgebildeten Heiler sollten damit damals eine gesetzliche Regelung erhalten, aber ohne sie damit aufzuwerten; eher im Gegenteil, man wollte sie abschaffen und verbot die Ausbildung zum Heilpraktiker. Die war erst mit dem Gesetz von 1952 (HeilprG), also in der Bundesrepublik, erlaubt. Gemäß § 1 dieses Gesetzes gilt es für jeden, der »die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will«. Nicht nur, dass die Berufschancen für Heilpraktiker heute ungleich schlechter sind als für Schulmediziner, die als »Halbgötter in Weiß« zu den renommiertesten Berufen gehören. Auch die Ausbildung zum HP ist in mancher Hinsicht kaum mehr als ein »kleines Medizinstudium«. Geprüft wird man schließlich von Ärzten, nicht von anderen Heilpraktikern oder etwa von Schamanen. Das Ansehen eines Heilpraktikers wird heute vielerorts gleichgesetzt mit „Heilern, die es – vielleicht aufgrund ihrer Schulnoten – bis zum Abschluss als Arzt nicht geschafft haben, oder aber mit „Rebellen gegen die herrschende – von sehr vielen kritisch betrachtete – Heilkunst“. So kritisch betrachtet, dass viele Schulmediziner sich auf ihren Praxis-Schildern mit Begriffen wie Naturheilkunde, Homöopathie, Kinesiologie oder »Alternative Verfahren« schmücken, weil das Zulauf bringt. Was gibt es denn »für den Kunden« Besseres als eine gesellschaftskonform ausgebildete Halbgöttin in Weiß, die dabei auch noch Weisheit, Herz und Ganzheitlichkeit signalisiert? Das muss ja nicht einmal geheuchelt sein.
Ganzheitliche Heilkunst
Meine Vision einer wünschenswerten Heilkunst sieht ein bisschen anders aus. Ich stehe damit weder auf der Seite der Schulmedizin, für die Heilpraktiker ein bisschen unseriös sind, noch auf der der Heilpraktiker, für die die Schulmediziner vor allem Opfer der Pharmalobby oder ihres eigenen Ehrgeizes sind. Meine Vision einer guten Heilkunst basiert auf den Naturwissenschaften und, wo eben möglich, randomisierten empirischen Studien, sie bezieht jedoch die enorme Kraft unseres Geistes, unserer Kultur und Gewohnheiten mit ein. Außerdem ist sie liebevoll und individuell zugewandt und gibt zu, wenn sie etwas nicht weiß. Sie ist mit dem Tod und der Sterblichkeit so weit versöhnt, dass sie nicht durch exzessive Anwendung von Apparaten ein natürlich zur Neige gehendes Leben noch verlängern will, was zugleich menschenunwürdig ist und ein ökonomischer Exzess. Sie ist nicht so geldgierig auf Rendite aus, wie die meisten unserer heutigen Kliniken, die sich in Händen von Privatinvestoren befinden, besser wären Kliniken in öffentlicher Hand, so wie einst in Großbritannien und in der UdSSR. Sie ist ganzheitlich in dem Sinne, dass der Mensch darin nicht nur als physisches Wesen vorkommt, sondern auch als emotionales, geistiges und gesellschaftliches. Auch Kollektive können krank sein: Familien und ganze Gesellschaften.
Orale Zufuhr im Krankenhaus
Heilkunst, wie ich sie mir vorstelle, sollte mehr auf Gesundheit ausgerichtet sein als auf die Abwendung von Krankheiten. Die deutschen Kliniken haben in den Jahrzehnten, in denen ich das beobachte, also seit den 70er-Jahren, ihr grottenschlechtes Essen nicht verbessert. Krankenhausessen ist geradezu sprichwörtlich schlecht. Spielt es denn keine Rolle, was wir mit dem Mund unserem Körper zuführen? Nur die dort zugeführten Tabletten werden von der Medizin beachtet – manchmal sind sie viel zu hoch dosiert, siehe die Opioid-Verschreibungen, die Jahr für Jahr zigtausend Opfer fordern. Die Ernährung scheint für Schulmediziner aller wissenschaftlich belegten Theorie zum Trotz keine Rolle zu spielen. Und noch vieles andere mehr sollte da reformiert werden. Viele Psychopharmaka gegen die Volkskrankheit Depression sind entweder wirkungslos oder sie machen süchtig, oder beides; während bewusstseinserweiternde Substanzen wie Psilocybin und LSD, richtig angewandt, helfen ohne süchtig zu machen, aber sie sind verboten. Was den Bereich »Drogen« anbelangt, hat die Aufklärung des 18. Jahrhunderts, von den moderneren Aufklärungen mal ganz zu schweigen, bisher nicht nur die Religionen außen vor gelassen, sondern auch die Schulmedizin. Höchste Zeit, dass sich das ändert. Wir Menschen sind ja nicht nur angepasste Wesen, durch Lob und Tadel beliebig steuerbar, sondern fähig, aus dem konventionellen Ego auszusteigen und per Empathie, Meditation und Mystik viel weitere Bewusstseinsräume zu betreten, die – ja, auch das: Heilung bewirken können.
Der kleine und der große Mediziner
Was könnten die Heilpraktiker in dieser Vision für einen Platz einnehmen? Sie könnten leichter den Mainstream-Hypnosen der Kaste der Ärzte entkommen und unkonventionelle, aber wirksame Methoden finden, um zum Beispiel den Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, ADHS, Burn-out und anderen Leiden beizukommen. Sie könnten sich als unabhängig erweisen von einem krankmachenden System. Dazu sollten aber eigentlich auch die Schulmediziner fähig sein. Vielleicht wäre ein Heilpraktiker-Beruf das Richtige, der weniger blauäugig alternativgläubig ist, aber auch weniger auf den Arzt, »den großen Mediziner« fixiert ist, und dann eben auch nicht nur von Ärzten geprüft wird. Beides braucht eine Reform, die Heilpraktiker-Ausbildung ebenso wie die langjährige Ausbildung der »großen Mediziner« und Fachärzte an den Hochschulen. Und die Kliniken müssen ihre Apparatefixierung abmildern, unbürokratischer werden und mit weniger dieser Dokumentationen auskommen, die dem Personal die Zeit stehlen, sich mit den Patienten zu befassen. Und sie sollten schon mal mit dem Einfachen, leicht Realisierbaren beginnen: kein krankmachendes Essen mehr.
Wolf Sugata Schneider, Jg. 52, Autor, Redakteur, Humorist. 1985–2015 Herausgeber der Zeitschrift Connection Kontakt: schneider@connection.de, Blog: www.connection.de, Seminare: www.bewusstseinserheiterung.info
Der Urknall des göttlichen Bewusstseins. Verschiedene Antworten auf die spirituelle Grundfrage des Menschen ... von Peter Maier
Mystische Atmosphäre in der Dorfkirche.
Zu Beginn der Fronleichnamsprozession baten mich drei ältere Jungen, die im Glockenturm standen, ihnen beim Läuten der vier Glocken zu helfen. Da ich die Jungen nicht näher kannte und weil mir das Läuten, das damals noch von Hand geschah, vollkommen fremd war, lehnte ich ab. Als ich dann jedoch während der Prozession das beeindruckende und festliche Glockengeläut hörte, ärgerte ich mich, dass ich so blöde gewesen war und das Angebot abgelehnt hatte. Darum suchte ich bereits einige Tage später nach einer Gelegenheit, doch noch ans Läuten zu kommen. Dazu musste man mit einem langen Strick, der im Kirchturm bis zum Glockenstuhl hinaufreichte, eine Glocke zum Läuten bringen – eine aufregende Sache für einen achtjährigen Jungen. Bereits um 6.30 Uhr gab es in unserer Pfarrgemeinde jeden Morgen die erste Frühmesse, um 7.00 Uhr die zweite. Daher ließ ich mich von meiner Mutter bereits um 6.00 Uhr wecken und fuhr mit dem Fahrrad zur Kirche ins Dorf, um rechtzeitig um 6.25 Uhr eine der beiden Glocken läuten zu können, die zur Frühmesse riefen. Einer der beiden Messdiener, die offiziell zum Läuten kamen, ging leer aus. Ich wollte läuten und ich gab den Glockenstrang nicht mehr her. Glockenläuten machte mächtig Spaß, vor allem auch deshalb, weil ich damit einen beachtlichen „Lärm“ erzeugen konnte. Das gleiche Erlebnis wiederholte sich beim Läuten zur zweiten Frühmesse kurz vor 7.00 Uhr. Drei Jahre lang fuhr ich jeden Werktag frühmorgens zur Kirche. Zwischen den beiden Läuten gab es eine sogenannte „Stille Messe“, die von dem Co-Pater unserer Pfarrei gehalten wurde. Nur etwa fünf Personen saßen in der Regel in den Bänken. Die Kirche war also auch während der Messe ein großer leerer Raum. Im Sommer ging um diese Zeit die Sonne auf und beleuchtete die bunten Ostfenster. Diese warfen ein magisches Licht in die Kirche, in der sich in völliger Ruhe eine priesterlich-magische Handlung abspielte. Eines Morgens passierte „Es“ während einer solchen Frühmesse: Ich verschmolz unvermittelt mit der mystischen Atmosphäre in dieser lichtdurchfluteten stillen Kirche. Ich selbst war Teil dieses Kirchenraums und dieser magischen Stimmung, fühlte mich abgrundtief geborgen und die Zeit schien stehenzubleiben. War ich glücklich? Ich würde eher sagen, ich war irgendwie entrückt und in eine andere, magische, spirituelle Welt geraten, ohne dass ich dies beabsichtigt hatte. Denn ich besuchte ja diese stille Messe eigentlich nur zu dem Zweck, um die Zeit bis zum zweiten Läuten zu überbrücken. Ich war dem Göttlichen nahe. Alles fühlte sich leuchtend und leicht an, ich vergaß alle Alltagssorgen, ich war in einer „Anderswelt“. Als der Priester die Messe nach gut 20 Minuten beendete und den Kirchenraum verließ, war auch für mich diese magische Zeit wieder vorbei. Vielleicht war es ein göttlicher Trick? Als Junge wollte ich damals offiziell nur Glocken läuten. In den drei Jahren, in denen ich wirklich jeden Morgen zum Läuten fuhr, bekam ich aber eine ziemliche „Packung“ Spiritualität ab. Mir ist beides sehr in Erinnerung geblieben: das Läuten und die magisch-meditative Atmosphäre während der stillen Messen. Ohne bewusst darüber zu reflektieren, bekam ich damals eine Ahnung davon, wie sich das Göttliche anfühlen könnte. Diese Erfahrung ist tief in meine Seele eingedrungen und hat Wurzeln für meine spätere Gottes-Sehnsucht als Jugendlicher und als Erwachsener gelegt. Ich möchte dieses Erleben nicht mehr missen.
Das spirituelle Grundproblem: die Ego-Schicht als Hindernis auf dem Weg ins Göttliche
Lieber Leser, spüren Sie einfach in sich hinein, welche besonderen Erlebnisse Sie schon in ihrem Leben hatten. Ich glaube, Sie werden – bei rechter Betrachtung und Deutung – womöglich auch ähnliche Erfahrungen wie die soeben von mir geschilderte gemacht haben. Solche Erlebnisse können uns Mut machen und Kraft geben, die dicke Ego-Schicht in uns anzubohren, die uns daran hindert, ins Göttliche zu gelangen. Von dieser spirituellen Aufgabe des Menschen erzählen alle großen Religionen auf die eine oder die andere Art und Weise. Der Begriff „Ego“ taucht heute in vielen spirituellen Strömungen auf, vor allem im Buddhismus. Damit soll aufgezeigt werden, was uns daran hindert, in die göttliche „Ur-Suppe“ , ins göttliche „All-Eins“, zurückzufinden, aus der unsere unsterbliche Seele einst herausgefallen und in die Polarität der Schöpfung geraten ist. Das Christentum spricht in diesem Zusammenhang von „Umkehr“, wenn es darum geht, unsere Ego-Gott-Ferne zu verlassen und zum Göttlichen zurückzukehren. Unsere spirituelle Unruhe kommt daher, dass wir einerseits eine tiefe Sehnsucht nach Glück, nach Harmonie, nach Sinn, nach Unendlichkeit, nach Sicherheit und nach einem höheren Wesen haben. Diese Sehnsucht gehört zu unserem Mensch-Sein, weil wir letztlich von göttlicher Natur sind. Andererseits fühlen wir uns gefangen in den Gesetzen der Polarität oder Dualität der Welt. Dazu gehören neben all den positiven Emotionen und Erfahrungen auch unsere Muster und Prägungen, unsere Sterblichkeit und Vergänglichkeit wie auch Krankheiten, Unglück und das Erleben von Enttäuschung und Lieblosigkeit durch unsere Mitmenschen. Das alles macht diese Ego-Schicht aus, in der wir eingehüllt sind. In diesem Spannungsfeld zwischen Göttlichkeit und Vergänglichkeit befindet sich der Mensch. Viele von uns sind ungestillte und unausgeglichene Wesen, die aber beständig von einer tiefen Sehnsucht nach dem Höheren, dem Göttlichen, dem Paradies angetrieben werden. Manche sprechen daher auch vom „Kreuz der Wirklichkeit“ des Menschen, um genau dieses Spannungsfeld in uns zu beschreiben. Den spirituellen Weg zurück zum Göttlichen zu gehen, bedeutet nach innen zu schauen und wahrzunehmen, dass wir eine dicke Ego-Schicht um uns haben, die unsere Seele umhüllt und verdunkelt und das Licht des Göttlichen in uns abschirmt. Hierin liegt unser spirituelles Grundproblem, weil uns diese „Ego-Schlacken-Schicht“ bedeckt und uns von unserer eigenen wahren göttlichen Natur fernhält. Durch diese Hülle müssen wir jedoch hindurch, wenn wir wieder zum Göttlichen in uns selbst gelangen wollen.
Die spirituelle Grundfrage schlechthin
An dieser Stelle muss jedoch eine andere, grundsätzliche spirituelle Frage gestellt und beantwortet werden. Wenn wir alle in unserer Tiefe göttliche Wesen sind und den göttlichen Funken in uns tragen, weil wir vor langer Zeit im All-Eins, in der göttlichen Ur-Suppe, glücklich und erfüllt, ein Herz und eine Seele mit dem Göttlichen und Teil des göttlichen Bewusstseins waren, warum mussten wir diesen wunderbaren Zustand überhaupt verlassen? Warum durften wir nicht in dieser glückseligen göttlichen Einheit bleiben? Warum mussten wir in die Polarität der Schöpfung mit all ihren Licht- und Schattenseiten, mit dem Guten und Bösen, mit den schönen und den schmerzlichen Erfahrungen eintauchen und hineingeboren werden? Warum mussten wir uns aufgrund der Vergänglichkeit und Sterblichkeit in der dualen Welt so vielen leidvollen Inkarnationen unterziehen und uns dabei eine kräftige „Ego-Suppe“ einbrocken, die es dann mühselig wieder abzuarbeiten geht, wie es etwa die Hindus und die Buddhisten annehmen? Viele weise Menschen haben darauf entweder gar keine oder eher ausweichende Antworten gegeben. Letztlich muss es ein göttliches Geheimnis bleiben, das wir Menschen nur ehrfurchtsvoll und demütig annehmen können. Vielleicht ist die Antwort auch zu einfach für unseren Verstand, der in der Regel alles komplizierter machen will, damit er genug beschäftigt ist. Dennoch möchte ich einige dieser Antworten auf diese spirituelle Grundfrage nennen, wohl wissend, dass sie nur unzulänglich und unbefriedigend sein können:
- Das Göttliche wollte sich seiner selbst bewusst werden. Darum ist die göttliche Gesamtseele explodiert in die Polarität, so als ob ein großes, buntes, leuchtendes Rosettenfenster eines mittelalterlichen Doms in Milliarden von Glassplittern zerbirst. Jeder Splitter erinnert an das ursprüngliche runde Fenster. Ebenso bleibt jede Seele, jeder „Seelensplitter“, Teil dieser göttlichen Einheitsseele und trägt die Sehnsucht nach dieser Einheit stets in sich. In den vielen Einzelseelen kann sich jedoch das eine göttliche Bewusstsein erst richtig entfalten und sich zu einer unendlichen Fülle entwickeln.
- Das Göttliche wollte mit seiner Schöpfung ein wesensverwandtes Gegenüber für einen vielfältigen und beständigen Dialog. Die Menschen als Krone dieser Schöpfung tragen die göttliche Wesensnatur von allen Geschöpfen am stärksten in sich.
- Es gibt keinen logischen Grund, warum der göttliche Ur-Punkt explodiert ist, ähnlich wie auch der ganze Kosmos beim Urknall aus einem winzigen Energie-Ur-Punkt. In beiden Fällen bleibt das „Warum“ notwendigerweise Spekulation und Geheimnis. Es ist einfach so.
- Die Geburt der menschlichen Seele aus dem einen Göttlichen ist vergleichbar mit einem Embryo, der aus der Mutter kommt. Er muss ab einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Leib der Mutter „herausgeboren“, ins Leben gehen und zu einem eigenen Menschen werden, um sich entwickeln und entfalten zu können. Ebenso mussten auch die Seelen, um sich ihrer selbst bewusst zu werden und vielfältige Erfahrungen machen und Lektionen lernen zu können, aus dem einen göttlichen Ur-Punkt herausfließen und zu eigenständigen Wesen werden.
- Das göttliche All-Eins ist vor langer Zeit durch eine „Seelen-Explosion“ zu einem göttlichen Tanz aufgebrochen, um seine eigene Fülle erleben, sein Bewusstsein entfalten und im freudvollen Tanz der vielfältigen Möglichkeiten unter den Bedingungen der Polarität sich permanent selbst erleben zu können.
Eine ganz persönliche Antwort
All diese Antworten versuchen letztlich, ein ur-menschliches Geheimnis zu lüften: woher die Sehnsucht nach dem Höheren, dem Göttlichen, nach umfassendem Glück, nach Harmonie und nach Unsterblichkeit in uns sterblichen und vergänglichen Menschen kommt. Es bleibt auch ein Geheimnis, warum so viele Menschen lieblos zueinander und zur Schöpfung sind. Wir treiben durch unsere Art zu leben einen fortgesetzten Raubbau mit unserer Erde und schädigen sie irreversibel. Wenn wir zudem die furchtbaren gewalttätigen Auseinandersetzungen in Krisengebieten überall auf der Welt betrachten, in denen sich Menschen der verschiedenen Kriegsparteien gegenseitig foltern, massakrieren und umbringen, dann bekommt man den Eindruck, dass so viele Seelen vollkommen Ego-verdunkelt sind; sie haben ihre göttliche Herkunft aus dem All-Eins, aus der einen göttlichen Ur-Suppe, komplett vergessen. Meine Antwort auf dieses Geheimnis von Polarität, Dualität und Ego ist so: Ich vertraue darauf, dass die Sehnsucht nach dem Göttlichen in mir stärker ist als alle Ego-Verhaftung in Geld, Besitz, Macht, Anerkennung und Konsum. Eine Ahnung vom Göttlichen habe ich schon früh als kleiner Junge bei den Stillen Messen in der Dorfkirche bekommen. Dieses und andere Erlebnisse motivieren mich bis heute, immer wieder die Ego-Schicht nach innen zu durchbrechen auf dem Weg zurück ins Göttliche.
Peter Maier (Lehrer für Physik und Spiritualität)
Literatur: Peter Maier, „Heilung – Initiation ins Göttliche“, ISBN 978-3-95645-313-7 (18,99 Euro, Epubli Berlin).
Literatur: Peter Maier, „Heilung – Initiation ins Göttliche“, ISBN 978-3-95645-313-7 (18,99 Euro, Epubli Berlin).
Nähere Infos und Buch-Bezug unter: www.initiation-erwachsenwerden.de.
Weitere Webpräsenz des Autors: www.alternative-heilungswege.de und www.alternative-heilungswege.de
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